Am Dienstag, dem 14. November 1989, lag die überraschende Öffnung einiger Grenzübergänge zwischen Ost- und Westberlin nur wenige Tage zurück. Die Geschehnisse des neunten Novembers waren keine brandneuen Nachrichten mehr, aber die Menschen konnten sie noch längst nicht bewerten. Die Berliner Mauer wurde immer noch von uniformierten und bewaffneten Grenzposten der DDR bewacht. Würden die Grenzen der DDR nun dauerhaft fallen? Sollte es zu einer Wiedervereinigung kommen? Die fest im Bewusstsein verankerte Teilung ließ sich nicht so leicht abschütteln.
Das vorangegangene Wochenende, bereits am Donnerstagabend beginnend und bis zum Sonntag (9. – 12. 11. 1989) anhaltend, war zu einer kollektiven Party geraten, die viele Berliner in eine Art Glückstaumel versetzte und sie zu bedeutenden Punkten an der Berliner Mauer drängen ließ. Besonders stark besucht war auf westlicher Seite der Platz vor dem Brandenburger Tor. Die breite Krone der an dieser Stelle besonders dicken Mauer war zu einer Stehfläche für viele dicht aneinandergedrängte Menschen geworden, die dieses besondere Ereignis miteinander verbringen wollten.
Aber am Dienstag danach sah es dort schon ruhiger aus. Zwar zog es weiterhin viele Besucher auf westlicher Seite zum Brandenburger Tor, doch auf der Krone der Mauer spazierten an dem Wochentag nur einige Grenzposten der DDR, die sich zum Erklimmen Leitern daran gelehnt hatten.
Auf westlicher Seite hatten die Medien sich längst mit ihren Funkwagen etabliert und die ersten Anbieter nutzten den unverhofften Besucherstrom. Ein Mann versorgte sie mit einem großen Haufen belegter Brote. Niemand interessierte sich für Gewerbescheine oder Vorschriften hinsichtlich des Anbietens von Lebensmitteln. Ihm entgegen kam nicht nur die besondere Stimmung, sondern auch sein Standort, der – obwohl auf westlicher Seite der Mauer gelegen – noch zur DDR gehörte. Praktisch war zwischen der Mauer und der Absperrung (direkt dem Brotverkäufer) eine Art Niemandsland.
Die Berliner Mauer stand nämlich nicht am äußersten Rand Ostberlins, sondern etwas dahinter, damit sie für die DDR (im östlichen Teil Berlins) von beiden Seiten zugänglich blieb. Die Westberliner Behörden waren deshalb nicht für den improvisierten Stand mit belegten Broten vor der Berliner Mauer zuständig.