Die Nachricht von der Öffnung der Berliner Mauer war noch druckfrisch, als sie von den ersten Souvenirjägern als herrenloses Allgemeingut zur Verwertung erkannt wurde. Mit Hammer und Meißel schlugen sie Stücke aus der Mauer heraus. Besonders begehrt war ihre Oberfläche auf der westlichen Seite, die von Künstlern und Graffitysprayern bunt bemalt oder mit Sprüchen versehen war.
Die Berliner fanden schnell einen Namen für die Menschen, die mit Werkzeug der Mauer zu Leibe rücken, um die Stücke zur Erinnerung mitzunehmen. Man nannte sie Mauerspechte. Es entwickelte sich gleich ein Markt für diese bizarren Souvenirs, der bestens florierte, weil Passanten ohne Werkzeug nicht in der Lage waren, sich ihr eigenes Stück aus der Mauer zu brechen.
Einige besonders gewiefte Anbieter vermieteten sogar Hammer und Meißel. Es gab sogar Mauerspechte, die mit dem Presslufthammer Stück herausbrachen. Niemand hinderte sie daran.
Die Mauerspechte leisteten ganze Arbeit und einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Zerlegen des festen Betons. Sie scherten sich nicht um die Grenzposten der DDR, die dem Treiben lediglich zusahen, aber nicht einschritten. Was mochten sie sich dabei gedacht haben?
Kaum hatte die Berliner Mauer ihren Schrecken verloren, wechselte sie vom Sozialismus in den Kapitalismus durch zahlreiche Händler, die sie in Stücke schlugen und auf dem Niemandsland unmittelbar an der Mauer auf westlicher Seite verkauften. Sie gehörte portionsweise jedem, der zugriff. Ein Tapeziertisch, einige Bananenkisten sowie Hammer und Meißel begründeten das Geschäft.